Wussten Sie, dass eine Orgel »lebt«?
Die Orgelspiele Mecklenburg-Vorpommern wecken die Orgeln, die zu den Konzerten „geschlagen“ werden, nach dem Winter wieder auf. Während der Wintermonate finden die Gottesdienste in der Regel nicht in der Kirche, sondern in einem beheizten Gemeinderaum o. ä., der sog. Winterkirche, statt. Entsprechend ruhen die Orgeln und werden nicht bespielt. Sie versinken in der kalten Kirche in den Winterschlaf. Unbemerkt nisten sich mancherorts sogar Mäuse, Fledermäuse, Käuzchen und Eulen in der Orgel ein. Mangels Nutzung „rosten“ Tasten und Züge ein und klemmen oder werden zumindest schwergängig: Die Orgeln haben „Heuler“ oder manche Pfeifen ertönen erst gar nicht mehr. Orgeln sind lebendige Mechanismen, deren Materialien u. a. auf Temperatur und Feuchtigkeit oder Trockenheit reagieren und auch darauf, nicht genutzt und in Betrieb gehalten zu werden. Die Orgeln sind nach dem Winter zumindest „verstimmt“.
Also muss rechtzeitig ein Orgelbauer her und die Orgeln warten und aus dem Winterschlaf holen und in Betrieb nehmen, so dass unsere Organisten*innen frei aufspielen und die Königinnen ihren Klang gebührend entfalten können.
Ein wechselvolles Schicksal ...
... hat diese Orgel hinter sich.
Die Geschichte dieser Orgel spiegelt den Umgang mit romantischen Orgeln in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider. 1967 war das Instrument in einem schlecht spielbaren Zustand. Vom Stil entsprach es auch nicht den Wünschen der Zeit. Zum Verwerfen war die Orgel jedoch noch zu gut. Also bestellte man für den Saal eine neue Kleinorgel und gab die Grüneberg-Orgel nach Bredenfelde ab. Dort musste sie – auch als Zugeständnis an den geänderten Klanggeschmack umgebaut werden. Als nach vierzig Jahren eine umfassende Reparatur anstand, außerdem in Neustrelitz eine Gesamtsanierung des Saales geplant wurde, holte man die Orgel 2010/11 wieder zurück. Bedauerlich inkonsequent waren die architektonischen Vorschläge für den Wiedereinbau der Orgel am alten Platz. Der Spieltisch stand ursprünglich direkt an der Orgelfront, so dass die technische Verbindung wesentlich kürzer und weniger kompliziert war. Der Orgelprospekt stand mehrere Zentimeter höher, so dass einst keine Pfeifen aus dem Gehäuse sichtbar herausragten.
Nun gibt es eine elektrische Verbindung zu dem fahrbar umgebauten Spieltisch, der an zwei Positionen im Raum angesteckt werden kann, was wiederum auch Vorteile hat.
Barnim Grüneberg wurde 1828 in Stettin geboren. Nach der Lehre 1843-47 bei Carl August Buchholz (Berlin) und Aufenthalten bei Eberhard Friedrich Walcker (Ludwigsburg) und Aristide Cavaillé-Coll (Paris) gründete er 1854 die “Orgelbauanstalt B. Grüneberg Stettin”. 1885 baute er die damals größte mechanische Orgel in Libau. Er war von Stettin aus besonders in Mecklenburg-Strelitz tätig, baute im Auftrag des Herrscherhauses die Orgel in der Stadtkirche und wurde 1894 zum Hoforgelbauer Mecklenburg-Strelitz ernannt. 1905 übergab er das Geschäft an den Sohn Felix Grüneberg. Er starb 1907 in Stettin.
Disposition: Zwei Manuale, Pedal, elektropneumatische Kegelladen, 8 Register
1. Manual, C-f3
- Bordun 16’ (ab G)
- Principal 8’
- Gambe 8’
- Octave 4’
2. Manual, C-f3
- Salicional 8’
- Liebl. Gedackt 8’
- Flauto dolce 4’
Pedal, C-d1
- Subbaß 16’
Calcant
Mezzoforte
Tutti
Pedalcoppel I-P
Pedalcoppel II-P (2011)
Manualkoppel II-I