Innenansicht der Runge-Orgel in Döbbersen, Foto: Heiko Preller

Kleine und große Königinnen

Details unserer Orgeln

Wussten Sie, dass eine Orgel »lebt«?

Die Orgelspiele Mecklenburg-Vorpommern wecken die Orgeln, die zu den Konzerten „geschlagen“ werden, nach dem Winter wieder auf. Während der Wintermonate finden die Gottesdienste in der Regel nicht in der Kirche, sondern in einem beheizten Gemeinderaum o. ä., der sog. Winterkirche, statt. Entsprechend ruhen die Orgeln und werden nicht bespielt. Sie versinken in der kalten Kirche in den Winterschlaf. Unbemerkt nisten sich mancherorts sogar Mäuse, Fledermäuse, Käuzchen und Eulen in der Orgel ein. Mangels Nutzung „rosten“ Tasten und Züge ein und klemmen oder werden zumindest schwergängig: Die Orgeln haben „Heuler“ oder manche Pfeifen ertönen erst gar nicht mehr. Orgeln sind lebendige Mechanismen, deren Materialien u. a. auf Temperatur und Feuchtigkeit oder Trockenheit reagieren und auch darauf, nicht genutzt und in Betrieb gehalten zu werden. Die Orgeln sind nach dem Winter zumindest „verstimmt“.
Also muss rechtzeitig ein Orgelbauer her und die Orgeln warten und aus dem Winterschlaf holen und in Betrieb nehmen, so dass unsere Organisten*innen frei aufspielen und die Königinnen ihren Klang gebührend entfalten können.

Ein Orgelpositiv mit Geschichte

Richborn-Positiv in Ruchow, Foto: Heiko Preller

Die Geschichte dieser kleinen Orgel – ein Orgelpositiv – ist eine kleine Sensation. Wegen seiner Kleinheit hat das Instrument bereits einiges durchgemacht. Und dennoch liegen die frühesten neunzig Jahre im Dunklen.
Gebaut wurde das Positiv (lat. positum: gesetzt, platziert - die Bezeichnung für eine kleine Standorgel) aller Wahrscheinlichkeit nach von Jochim Richborn in Hamburg. Die gesamte Bauweise weist darauf hin.

Im Balg fand sich bei der jüngsten Restaurierung die Jahreszahl 1684. Wann und auf welchem Wege das Positiv nach Bützow kam ist unbekannt. War es speziell für die Kapelle auf dem Schloss angeschafft worden? Um 1770 hatte es die Reformierte Gemeinde in Bützow in Gebrauch, die in der Schlosskapelle ihre Gottesdienste feiern durfte. Nach kurzem Privatbesitz 1790 in Bützow wurde es in die Dorfkirche Ruchow verkauft. Heinrich Schmidt (Dobbertin) integrierte es 1796 in ein von ihm errichtetes größeres Werk. Klaviatur, Teile der Tonmechanik und der Faltenbalg gingen dabei verloren. Die Erweiterung geschah auf einer zweiten Windlade mit zwei Registern. Später wurde ein angehangenes Pedal angebaut.

2012 konnte durch Vergleiche der Positive in Lübeck, St. Jacobi und in Skokloster (Schweden) Jochim Richborn als Erbauer ermittelt werden. Die Inaugenscheinnahme des Positives in La Laguna (Teneriffa) durch Restaurator Andreas Hahn (Firma Jehmlich, Dresden) betätigte nochmals die Werkstattverwandtschaft dieser vier Instrumente. Zur großen Überraschung sind die Positive in La Laguna und Ruchow baugleich und ähneln sich wie Dubletten. 2015 restaurierte Firma Jehmlich das Positiv auf den vermuteten Urzustand. Aus der Erbauungszeit sind die Pfeifen der Register Gedact, Flöte und zu großen Teilen Sieffloit erhalten.

Noch 1984 war barockes Schleierwerk vorhanden, das um 1987 durch Diebstahl verloren ging. Allerdings zeigen Fotoaufnahmen, dass es sich dabei um zweitverwendetes Schnitzwerk, entstanden nach 1684, gehandelt hat. Das jetzige Rankenwerk entstand in der Werkstatt von Thomas Jäger (Dresden) nach stilistischen Untersuchungen anderer norddeutscher Orgel dieser Zeit.

  • Stimmtonhöhe: 453 Hz bei 15°C
  • Temperierung: mitteltönig

Disposition: ein Manual, mechanische Schleiflade, 5 Register

Manual / C.D.E-c3

  • Gedact 8’                                (Holz gedeckt)
  • Flöte 4’                                   (Holz offen)
  • Octave 2’                                (Prospekt)
  • Sieffloit 1 ½’             
  • Sesquialter 1 1/3’ - 4/5’       (Baß-Diskant-Teilung h0/c1, rep. bei c0)

Sie hören dieses Kleinod in diesem Konzert.

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